2. August 2018

Sommerinterview: „Sind auf alle Leistungen Stolz“

 

Abteilungsleiter Gunnar Lehmann kämpft innerhalb der Abteilung Handball an vielen Ecken und Enden. In der vergangenen Spielzeit war er nicht nur Chef der Abteilung, sondern auch Co-Trainer der Frauenmannschaft. die den sportlichen Klassenerhalt in der Sachsen-Anhalt-Liga verfehlt hatte. Foto: Enrico Joo

Handball Gunnar Lehmann, Abteilungsleiter der TSG Calbe, blickt gern auf die vergangene Spielzeit zurück und optimistisch in die Zukunft

 

Weil die TSG Calbe in der Nachwuchs-Gewinnung ungewöhnliche Wege geht, ist die Abteilung Handball entgegen dem allgemeinen Trend sehr gut aufgestellt. Es gibt viele Trainer, gute Leistungen, eine breite Basis. Wer in Calbe Handball spielt, spielt bei einem gut geführten Verein.

Calbe • Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt. So könnte das gemischte Fazit des Spieljahres 2017/2018 bei der TSG Calbe lauten. Während die Männermannschaften gute bis sehr gute Saisons gespielt und ihre Ziele erreicht haben, flossen bei den Frauen in der Sachsen-Anhalt-Liga Tränen. Der sportliche Abstieg in die Bezirksliga konnte nicht verhindert werden. Erst am Grünen Tisch holten sich die Saalestädterinnen durch zwei Rückzüge den Startplatz. Enri­co Joo sprach mit Abteilungsleiter Gunnar Lehmann über die Probleme der vergangenen Saison, die mittelfristigen Ziele für die nächsten Jahre und das Geheimnis der funktionierenden Nachwuchsarbeit an der Saale.

 

Volksstimme: Herr Lehmann, die TSG Calbe hatte in der Saison 2017/2018 zwölf Mannschaften im Spielbetrieb, von denen die männliche A- bis D-Jugend in der höchsten Liga Sachsen-Anhalts gespielt haben. Das Flaggschiff erste Männermannschaft wurde Dritter in der Sachsen-Anhalt-Liga. Wie fällt Ihr Fazit aus?

Lehmann: Wir sind sehr zufrieden. Wir haben die meisten Ziele erreicht. Der dritte Platz der ersten Männermann­schaft ist sehr gut. Wir hatten da durch die Verletzungen von René Hulha, Felix Kralik und zum Ende der Saison von Maxi­milian Weiß viel Verletzungspech. Von daher war es eine absolut überzeugende Saison. Das Sahnehaubchen wäre natürlich der Landespokal-Erfolg gewesen. Aber der Ärger ist mittlerweile verflogen. Der BSV Magdeburg war in beiden Final-Spielen das bessere Team und hat verdient gewonnen.

 

Die zweite Männermannschaft hat sich am vorletzten Spieltag den Klassenerhalt in der Verbandsliga Süd gesichert…

Hut ab vor dieser Leistung. Dass freut mich. Die Mannschaft hat fast immer überzeugt, auch wenn sie manchmal Lehrgeld bezahlt hat. Die Zweite soll weiterhin das Sprungbrett für die Erste sein. Sehr gut verlief da auch die Zusammenarbeit mit der ersten Mannschaft. Da gibt es keinen Egoismus.

 

Weniger gut verlief die Saison für die Frauen mit dem sportlichen Abstieg.

Das war eine extreme Saison. Durch Beruf, Krankheit und Schwangerschaft haben wir eine komplette Mannschaft verloren. Das kann man nicht kompensieren. Gut für uns war, dass das Glück zurück kam mit dem Rückzug der SG Seehausen. Weil inzwischen auch der FSV Magdeburg zurückgezogen hat, gibt es jetzt nur noch elf Mannschaften in der Liga. Wir nehmen das Geschenk gerne an, weiter in der Sachsen-Anhalt-Liga starten zu können.

 

Kann man sagen, dass die Frauen mit einem blauen Auge davongekommen sind?

Definitiv. In Zukunft werden wir mit etwa 15 Spielerinnen auch breiter aufgestellt sein mit einer guten Mischung aus jung und alt und mit einem neuen Trainer. Ich freue mich, dass Ronald Kampe zurück ist. Er brauchte wieder eine Aufgabe (lacht). Er hat Blut geleckt und wollte zurück zu seinen Wurzeln.

 

Welche Ziele können da ins Auge gefasst werden?

Ein Mittelfeldplatz wäre für die neuformierte Mannschaft ein Erfolg. Die jungen Spielerin­nen müssen noch mehr integriert werden. Die waren in der vergangenen Saison überfordert mit der Situation. Dieser mentale Prozess war nicht zu kippen.

 

Was die TSG Calbe in der Außenbetrachtung so attraktiv macht, ist die gute Nachwuchsarbeit. Junge Spiele­rinnen und Spieler werden immer wieder in die Erwachsenen-Mannschaften hochgezogen. Diese Philosophie schreibt sich jeder Verein auf die Fahne. Aber in Calbe klappt das tatsächlich. Woran liegt das?

Das Geheimnis sind die sehr guten Nachwuchs-Trainer. Ich bin sehr froh, so ein Trainerteam zu haben. In jeder Mann­schaft gibt es mindestens zwei Verantwortliche. Der Anteil an ehemaligen Aktiven im Trainerteam hat sich seit zwei Jahren deutlich erhöht. Ehemalige Spielerinnen und Spieler wie Michael Gottschalk, Stefan Herzig, Holger Lehmann und Antje Uhlmann geben ihre Erfahrungen weiter. Auch aktuelle Spieler wie Florian Lück, Sophia Rust, Kristin Sroka und Marius Schwarz sind involviert. Da gibt es kein Konkurrenzdenken unter den Teams. Darauf kann man stolz sein. Unsere Nachwuchsarbeit ist ein Pfund, mit dem wir wuchern können. Unser Ziel ist es, in jeder Altersklasse in der höchsten Liga Sachsen-Anhalts zu spielen. Fordern und fordern ist unser Prinzip.

 

Allerdings wird die weibliche B-Jugend auch in der neuen Saison nicht besetzt sein. Warum?

Die Probleme im weiblichen Bereich fangen ab der C-Jugend an. Dieses Phänomen kann ich nicht erklären. Das ist aber nicht nur bei uns so. Ab der B-Jugend beginnt die Ausbildungszeit und dann dünnt es sich aus.

 

Dafür sind die unteren Altersklassen breit besetzt…

Genau. Wir haben zwei männliche D- Jugenden in der neuen Saison. Hilfreich ist dabei auch ein Vereinsbus, mit dem wir die Kinder aus den umliegenden Gemeinden für einen kleinen Obolus abholen. Das hat sich bewährt. Denn allein aus Calbenser Kindern kriegen wir keine Mannschaft mehr voll. Dazu haben wir mittlerweile drei Arbeitsgemeinschaften, die in den Grundschulen in einer „AG Sport“ den Hand­ball schmackhaft machen. Dadurch gewinnen wir neue Kinder. So etwas gibt es auch in den Grundschulen in Wels- leben und Sachsendorf. Die absolute Basis für die Nachwuchsgewinnung sind unsere Ballgruppen und die Minis. Hier wird durch Doris Wein­berger und ihre Mitstreiter eine tolle Basisarbeit geleistet. Ein großer Dank geht da auch an die Eltern und Großeltern, die einen reibungslosen Ablauf möglich machen. Das ist eine große Hilfe. Das ist wie eine große Familie. Das funktioniert sehr gut. Ein Dank geht auch an alle fleißigen Helfer im Verein, an die Sponsoren, den Handball-Förderverein sowie die Stadt Calbe.

 

Gibt es ein Jugendteam, das besonders überzeugt hat?

Wir sind auf alle Leistungen stolz. Das wollen wir nicht werten. Alle Mannschaften haben ihr Bestes gegeben und wurden traditionell am Saisonende vor großer Kulisse ausgezeichnet. Rein sportlich gesehen ist aber der dritte Platz der männlichen C-Jugend in der Sachsen-Anhalt-Liga bemerkenswert. Aber in allen Altersklassen wollen wir Stillstand vermeiden. Mittelfristig wollen wir wieder alle Alters­klassen im weiblichen Bereich besetzen und weiter an unserer Ausbildung arbeiten, um mehr Qualität in die Mannschaften tragen. Dazu werden etliche Trainer im Herbst Lizenzen für den Breitensport erwerben und können sich später auch noch weiterqualifizieren. Dabei übernehmen wir die gesamten Kosten. Drei Nachwuchssportler konnten zudem für eine Schiedsrichter-Ausbildung gewonnen werden. Wir haben bisher nur fünf Schiedsrichter. Es ist schwer, da Begeisterung zu vermitteln. Da wollen wir aktiv gegensteuern.

 

Gern würde ich noch einmal einen Sprung zur ersten Männermannschaft machen. Calbe hat schon zweimal ein einjähriges Gastspiel in der Mitteldeutschen Oberliga ge­geben und ist zweimal direkt wieder abgestiegen. Soll die Reise irgendwann wieder dahin gehen?

 Mittelfristig ist die Mitteldeutsche Oberliga immer ein Ziel. Ich glaube, dass ohne das Verletzungspech auch in der vergangenen Saison der erste oder zweite Platz möglich gewesen wäre in der Sachsen-Anhalt- Liga. Aber die Mannschaft muss noch an Konstanz zulegen, sie ist nicht am Ende ihrer Entwicklung. Kurzfristiges Ziel kann daher nur eine Medaille sein. Favorit für die kommende Saison ist für mich aber ganz klar der HV Rot-Weiss Staßfurt, allein schon aufgrund der vielen Neuverpflichtungen.

 

Was fehlt denn zur Oberliga noch?

Sehr viel im sportlichen und auch im wirtschaftlichen Bereich. Das wäre eine enorme Herausforderung und ein großer Qualitätssprung. Wir würden uns es gut überlegen, ob wir aufsteigen, wenn wir Erster werden. Es gibt auch keine Garantie, in der Mitteldeutschen Oberliga zu bleiben. Oebisfelde hat die Sachsen-Anhalt-Liga zum Beispiel über die letzten drei Jahre dominiert und wagt erst jetzt den Sprung.

 

Bleibt die Mannschaft denn zusammen?

Ja. Der einzige Abgang ist Bastian Krautwald, René Hulha hat seine Karriere beendet. Felix Kralik ist im Aufbautraining. Da gibt es aber keinen konkreten Zeitpunkt für die Rückkehr.

 

Bis auf Ron Barby und Kevin Reiske besteht die Mann­schaft ja auch nur aus Calbensern…

Genau. Das zeichnet uns aus. Wir wollen jedes Jahr ein bis zwei Talente hochschieben und keine Leute von außen einkaufen, wobei ich punktuelle Verstärkungen generell nicht ausschließen möchte.

 

Andreas Wiese hat die Mannschaft jetzt das zweite Jahr betreut. Im ersten Jahr wurde er mit dem Team Vierter, jetzt Dritter. Von außen scheint es, dass er sehr nah dran ist an der Mannschaft. Er beherrscht den Spagat zwischen Emotionalität, Kumpelei und tiefgehender Analyse. Wie sehen Sie ihn?

Er ist ein Glücksgriff für uns. Er bringt jahrelange Erfahrung als Spieler aus der Regionalliga mit und ist ein absoluter Handball-Freak. Wir sind sehr zufrieden. Er hat eine gute Kommunikation mit den jungen Spielern, kann einiges bewegen und lebt den Handball. Er hat viel Spaß an der Mann­schaft und wir auch mit ihm.

 

Die Sporthalle „Zuckerfabrik“ ist nun seit über zwei Jahren geschlossen. Wie sieht die Hallen-Situation in Calbe derzeit aus?

Das ist der einzige Knackpunkt bei uns im Verein. Die Hallen- Situation ist unbefriedigend. Derzeit schaffen wir es nicht, jeder Mannschaft zweimal die Woche ein Training in der Heger-Sporthalle anzubieten. Wir haben drei Trainingseinheiten in der Woche in Förderstedt gemietet. Nur dadurch haben alle Mannschaften genug Trainingseinheiten. Wir hoffen auf eine Sanierung der „Zuckerfabrik“.

 

Gibt es da einen Zeitplan?

 Ja. Bis zum Ende des Jahres soll die Halle teilsaniert werden am Dach, an der Beleuchtung und bei den sanitären Anlagen. Für uns als Handball-Abteilung und die gesamte TSG Calbe wäre das ein Segen. Dadurch würde unser Trainingsplan deutlich entzerrt werden. Spätestens zur Saison 2019/2020 hoffen wir, die Sporthalle „Zuckerfabrik“ wieder nutzen zu können.

Dieser Artikel wurde am 02.August 2018 von Dorle Hädecke veröffentlicht und wurde unter Aktuell abgelegt. (aktualisiert: 02.August 2018)


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