14. Juni 2017

Frauen verjagen im letzten Moment das Abstiegsgespenst

Mit nur elf Pluspunkten die Liga zu halten, ist an sich schon eine Leistung. Den Frauen der TSG Calbe ist das gelungen. Am Ende der Saison blickt das junge Team dennoch motiviert in die Zukunft.

Nachwuchsspielerin Juliane Gaul hat sich gut in das Team hineingearbeitet. | Fotos: Ulrike Neumann

Michelle Feilhaber (am Ball) zeigte zum Beispiel gegen Gräfenhainichen ein starkes Spiel.

Frank Falke, Trainer der Calbenser Handballerinnen, atmete durch, ehe er auf die Frage nach dem Saisonverlauf antwortete. „Saisonziel Klassenerhalt erreicht“, formulierte er im Grunde die Überschrift. Der Text darunter liest sich wie ein kleines Abenteuer mit am Ende glücklichem Ausgang in Form des zehnten Platzes. „Dass es so extrem geworden ist, war nicht vorauszusehen“, schätzte er ein. Aus den unterschiedlichsten Gründen schmolz das Trainingspensum immer mehr zusammen. Am Ende blieb beinahe nur noch die anderthalbstündige Einheit am Freitag übrig – zu wenig für eine Mannschaft, die sich mit einer neuen Generation Spielerinnen gerade neu erfinden muss. „In der wenigen Zeit, waren die Aufgaben nicht zu bewältigen und  es ist uns die ganze Saison über nicht gelungen, Trainingsdefizite aufzufangen und ein Mannschaftsspiel zu entwickeln“, analysierte er, kritisierte das Grundverhalten in der Abwehr und die Abstimmung zwischen Abwehr und Torhütern, um schließlich festzustellen, „wir haben zu wenig miteinander geredet.“

Erfolgreichste Schützin der TSG Calbe in Köthen war Lisa-Marie Prokop mit sieben Treffern.

Die phasenweise schwache Abwehr war nur ein Spiegelbild dessen, was im Angriff passierte. „Was ich selbst nicht umsetzen kann, kann ich auch nicht verhindern“, zitierte er eine alte Weisheit und tatsächlich wirkte das Zusammenspiel mit seiner hohen Anzahl an technischen Fehlern bisweilen planlos. Das Problem im Hintergrund war wiederum die fehlende Dauerhaftigkeit im Training.

Die TSG-Frauen starteten motiviert in die Saison, wussten von vornherein, dass mit der weiteren Integration der jungen Spielerinnen und dem Trainerwechsel einiges anders werden würde. Das frühzeitige Aus im Landespokal gegen den Dessau-Roßlauer HV war die erste kleine Enttäuschung, die jedoch mit starken Auftritten in den folgenden Wochen überspielt wurde. Dennoch bröckelte das Selbstbewusstsein mit jeder Niederlage, der Rucksack wurde schwerer, das Spiel verkrampft, der Kopf einfach nicht wieder frei. Als dann feststand, dass Spielmacherin Stefanie Hüls aus gesundheitlichen Gründen ausfallen würde und sich auch noch Routinier Kristin Sroka verletzte, stand das Team vor einer völlig neuen Situation. Falke klappte sein Buch, wie er die gelb-weiße Taktiktafel nennt, auf, rotierte auf den Positionen, versuchte alle mit einzubinden. „Unsere jungen Spielerinnen konnten nicht mehr einfach nur mitlaufen, sondern trugen jetzt selbst große Verantwortung“, erkannte Falke und ließ nicht unerwähnt, dass die meisten A-Jugendlichen diese Aufgabe mitten in der Abiturzeit stemmen mussten. „Das war schon außergewöhnlich.“

Zwei Siebenmeter konnte Josephine Suchan gegen den DRHV 06 entschärfen.

Kristin Sroka verwandelte sicher den erster Siebenmeter der Saison bei TuS 1860 Magdeburg-Neustadt.

Falke versuchte gemeinsam mit seinem Co-Trainer Lutz Dohmke und A-Jugend-Coach Gunnar Lehmann den Druck von den Spielerinnen zu nehmen, doch die Tabellensituation ließ sich nicht verbergen: Der Abstiegskampf war im vollen Gange, das Abenteuer längst zur ernsten Gefahr geworden. „Wir haben wichtige Entwicklungsschritte gemacht und waren in ein paar Spielen auch in der Lage das umzusetzen“, betonte der Trainer, räumte aber ein, „vom Kopf her sind wir noch nicht so stabil, uns aus einem Rückstand wieder herauszuholen.“

Wieder einmal hat sich Antje Schreiber in dieser Szene am Kreis durchgesetzt. Am Ende verbuchte sie sieben Treffer beim MSV 90.

So bleibt eine Saison mit vielen guten Ansätzen, aber fehlender Konstanz, mit wichtigen  Entwicklungsschritten trotz fehlender Kontinuität. Für Falke steht außer Frage, dass seine Schützlinge das Zeug zu mehr haben. „Wir müssen lernen, situativ besser zu entscheiden, uns mit einer besseren Wurfeffektivität zu belohnen“, blickt er auf erste Ziele voraus. Ganz dick unterstreicht er, dass es keinesfalls an mangelnder Motivation liegt, denn „wer da war, wollte auch.“ Von tränenreichen Erinnerungen hält er indes wenig, fordert von seinen Spielerinnen, die Saison abzuhaken und sich auf die neuen Aufgaben zu konzentrieren. Ganz Handball-Lehrer, steht für ihn bereits jetzt fest: „Auch in der kommenden Saison steht die Entwicklung klar im Vordergrund.“ Der Satz klingt entspannt, denn er weiß ganz genau, dass das junge Team viel Potenzial hat und das Fundament bereits liegt. Das muss jetzt ein paar Wochen ruhen und dann soll in der Vorbereitung mit dem Bau begonnen werden. (ttr)

Aufgefallen: Mandy Wenzel

Mandy Wenzel (am Ball) tritt nur selten im Angriff in Erscheinung. In der Deckung gilt sie aber als die Regisseurin ihres Team und hat es fast unbemerkt im Lauf der Rückrunde geschafft, die jungen Spielerinnen immer besser in die Abwehrpflicht zu nehmen. Der Mittelblock, der noch in den Spielen gegen Anhalt Bernburg oder den HC Salzland metergroße Räume bot, ließ am Ende kaum noch etwas durch.

Dieser Artikel wurde am 14.Juni 2017 von Tilman Treue veröffentlicht und wurde unter Aktuell abgelegt. (aktualisiert: 29.Juni 2017)


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